Leo Lesser Ury 1861-1931

Lesser Ury wurde am 7. November 1861 als Leiser Leo Ury in Birnbaum in der zu Preußen gehörigen Provinz Posen geboren. Der Sohn eines jüdischen Bäckermeisters verbrachte seine ersten Lebensjahre in der Kleinstadt Birnbaum, zog aber nach dem Tod des Vaters mit seiner Familie nach Berlin. Dort begann Lesser Ury im Alter von 16 Jahren ein Studium der Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie bei den Historienmalern Heinrich Lauenstein und Andreas Müller. Um seine Kenntnisse zu vertiefen, zog er im Anschluss über Brüssel nach Paris, wo ihm der französische Akt- und Porträtmaler Jules-Joseph Lefebvre wichtige Impulse gab. Lesser Ury bereiste Flandern, studierte die alten Meister des Goldenen Zeitalters und gelangte schließlich nach München. Seine Bewerbung an der Akademie der Bildenden Künste wurde am selben Tag angenommen wie die des Impressionisten Ernst Oppler. Noch vor diesem zog es Lesser Ury bereits 1887 wieder nach Berlin zurück.

 

Lesser Ury fand in Berlin nicht nur eine Heimat, sondern vor allem auch eine Fülle von Motiven, die er immer wieder neu ins Bild setzte. Die Straßen und Kaffeehäuser Berlins durchziehen als ständig wiederkehrendes Sujet das Schaffen des eigenwilligen Malers. Die vielversprechende Laufbahn des Einzelgängers Ury geriet ins Stocken durch das Zerwürfnis mit Max Liebermann. Als Präsident der Akademie und einflussreiche Leitfigur der Berliner Kunstszene verhinderte Liebermann mehrfach Urys Teilnahme an Ausstellungen – möglicherweise auch aus Eifersucht auf die zunehmende Bekanntheit des unabhängigen Konkurrenten, dessen sperriger Charakter häufig zu Reibungen mit den anderen Berliner Künstlern führte. Erst Lovis Corinth öffnete Lesser Ury wieder die Tür zur Berliner Secession, was 1921 sogar zu einer Ehrenmitgliedschaft führte. Trotz seiner künstlerisch vielfach dokumentierten Verbundenheit zu Berlin unternahm Ury immer wieder Reisen nach London und Paris, von denen er jeweils eine große Zahl neuer Bilder mitbrachte.

 

Lesser Ury führte seine Kompositionen vielfach mit dunkler Farbpalette aus. Besonders häufig war er im Café Bauer zu Gast, das durch einen von Werner von Siemens entwickelten Generator bereits 1884 über eine elektrische Beleuchtung verfügte, was im Zusammenspiel mit einem großen Angebot an internationalen Zeitschriften und Zeitungen viele Gäste zu einer späten Lektüre verführte. Für Lesser Ury bedeutete das eine reiche Auswahl an stimmungsvollen Abend- und Nachtszenen, bei denen er mit Licht und Schatten spielen konnte. Neben den Stadt- und Kaffeehausszenen war es die Landschaftsmalerei, die Ury lebenslang beschäftigte. Dabei interessierte ihn vor allem das Einfangen bestimmter atmosphärischer Augenblicke wie der abendlichen Dämmerung oder dem aufklarenden Himmel nach einem Gewitter. Hartnäckig hält sich die Legende, dass die Nationalsozialisten einen großen Teil von Lesser Urys Werk zerstört hätten. Tatsächlich wurden zahlreiche Bilder unmittelbar nach seinem Tod (und damit noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges) durch das Auktionshaus Paul Cassirer versteigert und befinden sich heute in Privatbesitz.

Lesser Ury starb am 18. Oktober 1932 in Berlin.

 

Quelle: https://www.lempertz.com/de/kataloge/kuenstlerverzeichnis/detail/ury-lesser.html